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Kunst und Oper

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Kreativität ist Ausdruck unseres innewohnenden Potentials - Malen, Singen, Zeichnen, Musizieren - welch wunderbare Geschenke des Lebens!

Malen, Zeichnen, Gesang und die Oper

 

Es ist eigenartig – in der Oberstufe hatten wir Bildnerische Erziehung, aber keinen Musikunterricht. Dennoch sollten Musik und Gesang noch wichtige Rollen spielen in meinen jungen Jahren.

Malen und Zeichnen sind mir vertraut seit Kindertagen, ja, ich erinnere mich, wie ich stundenlang vor mich hin zeichnete und mir dabei selbst Geschichten erzählte. Inspiriert haben mich die Comicheftchen, die ich in der kleinen Gemischtwarenhandlung von Tante und Onkel anschauen durfte.

In diesem Geschäft gab es mehr oder weniger alles, was man für den täglichen Bedarf brauchte: Lebensmittel, Papier- und Kurzwaren, Drogerieartikel, Zeitungen, Illustrierten und alles für die Schule. „Pass auf, dass du keine Eselsohren reinmachst!“ mahnte mein Onkel und erlaubte mir großzügig, sämtliche Micky Maus, Bessi, Donald Duck und Superman Heftchen zu lesen, ohne sie kaufen zu müssen.

Ich zeichnete vor mich hin und erfand dabei ganze Geschichten, die ich abends dann meinen Schwestern erzählte und war überzeugt, dass dies alle Menschen so machten.

Mit der Pubertät verlor sich dieser Brauch – ich hatte nun reale Personen, um die sich meine Gefühle rankten und die mich abends beschäftigten.

Jedenfalls liebte ich den Mal- und Zeichenunterricht und war besonders gut im Zeichnen von Gesichtern.

Wie kam ich dann zur Oper? Das war mit neunzehn Jahren in der Wohnung meiner großen Liebe. Dort fand ich eine Menge an Schallplatten, unter anderem mit Aufnahmen berühmter Opern: La Traviata, Nozze di Figaro, Die Zauberflöte und so weiter. Durch ihn lernte ich diese Musik lieben und wenn ich allein in der Wohnung war, begann ich mitzusingen. Voila – meine Stimme folgte mühelos den Arien von Violetta, Marzelline, Cherubino, Gräfin Almavia und Susanna – ja, sogar Tenorarien sang ich einfach eine Oktave höher mit! Und welche Lust das war! Der Gefangenenchor aus Fidelio singt so bezeichnend: „Oh welche Lust, den Atem leicht zu heben…“ und auch mein Atem befreite sich und aus tiefster Brust tönte mein Gesang durch die Räume.

Ich war jung und es gab damals noch keine Psychotherapie, wie sie heute etabliert ist, doch der Effekt dieser intensiven, teilweise sehr leisen, teilweise sehr lauten Töne, gesungen mit verhaltener und dann wieder losbrechender Kraft, war ausgesprochen heilsam.

Alle Emotionen, Wünsche, Ängste, Enttäuschungen und Sehnsüchte fanden hier Platz und Ausdruck. Ich wusste nichts von Gesangstechniken, von Belcanto, Legato, Stimmregister, Triller und Koloraturen. Ich sang einfach mit, ließ mich von den Sängerinnen stimmlich an der Hand nehmen und folgte ihnen. Eigentlich war ich fast schockiert über die Kraft in meiner Kehle. Da sangen Stars wie Fiorenza Cosotto, Ileana Cotrubas, Gundula Janowitz, Anneliese Rothenberger – und ich!

Meine große Liebe verlief nicht sehr glücklich, aber das Geschenk der Opernmusik ist mir geblieben. Später lernte ich die Forschung und Erkenntnisse des französischen Arztes Alfred Tomatis (1920 – 2001) kennen.

Seine drei postulierten Gesetze lauten:

  1. Die Stimme enthält nur die Frequenzen, die das Ohr hören kann

  2. Wenn das Hören verändert wird, ändert sich unmittelbar und unbewusst auch die Stimme

  3. Es ist möglich, die Phonation durch eine über einen gewissen Zeitraum hinweg durchgeführte Stimulation des Gehörs dauerhaft zu verändern

 

Tomatis arbeitete vorrangig mit zwei Personengruppen:

Sängern und autistischen Kindern.

Bis heute gibt es Tomatis Institute weltweit, auch in Wien. Mich haben vor allem die Bücher „Hören wie Pan“ von Patrizia Joudry und „Klangwelt Mutterleib“ von Alfred Tomatis beeindruckt, und die embryologische Entwicklung des Ohres, hervorragend geschildert in seinem Buch „Der Klang des Lebens“ hat mich mehr gefesselt als alles, was ich vorher im Medizinstudium lernte!

Bis heute liebe ich es, zu singen. Der Operngesang behandelt starke Themen, menschliche Dramen wie Mut, Feigheit, Liebe, Verrat, Tod und Tapferkeit. Die großen Arien mitzusingen ist unglaublich befreiend und ästhetischer als schreiend auf einen Polster einzuschlagen. Ich weinte mit Violetta aus La Traviata, wurde in hehre Gefilde getragen beim Freiheitschor aus Nabucco und drückte meinen Liebeskummer aus mit der Arie aus der Nozze di Figaro: Dove sono i bei momenti – Wohin sind sie, die Wonnestunden…ja, ja!

Meine Lieblingsoper ist Fidelio. Die Vision des gefangenen Florestan im Kerker, bei der ihm seine Gattin Leonora erscheint und sich als Engel zeigt, die ihn „zur Freiheit, zur Freiheit, ins himmlische Reich, ins himmlische Reich!“ führt, ist ein genialer Ausdruck dieses seelischen Dramas, wie es nur Beethoven schaffen konnte! Wer Fidelio nicht kennt, sollte das unbedingt nachholen – die Gewissensqualen des Gefängniswärters, der für einen Mord das dringend benötigte Gold bekommen würde, dennoch schockiert ablehnt: „Oh Herr, das Leben nehmen, das ist nicht meine Pflicht, nicht meine Pflicht!“ sind so nachvollziehbar, ebenso der Druck, der auf der als Mann verkleideten Ehefrau Leonora ruht, die sich als Gehilfe des Wärters verdingt, um herauszufinden, ob ihr Mann in diesem Gefängnis schmachtet.

Wie viele Menschen sitzen heute als politische Gefangene in Gefängnissen, wieviel Mut und List bräuchte es, um sie zu befreien!

Und wenn wir uns einmal aus Gewissensgründen nicht nach den Regeln verhalten, könnten wir diese Zeile hören:

"Mein Herz hat mich gelobet, sei der Tyrann in Wut!"

Mein eigenes Singen hat sich seit Jahren auf spirituelle indische Gesänge verlagert, sogenannte Kirtans. Seit meiner Begegnung mit Amma nehme ich an den regelmäßigen Satsang-Treffen teil, wo wir hingebungsvolle Lieder singen, die unseren Geist rein und liebevoll machen. Swami Sivananda sagt über diese Art von Gesang: „Es ist die einfachste Methode, um im Kali Yuga, dem eisernen Zeitalter, Gottesbewusstsein zu erreichen. Wenn Menschen zusammenkommen und Sankirtan praktizieren, wird ein mächtiger spiritueller Strom, Mahashakti, erzeugt. Diese Schwingungen werden zu entfernten Plätzen getragen. Sie erheben den Geist aller Menschen, bringen ihnen Trost und Kraft und wirken als Verkünder von Frieden, Harmonie und Eintracht.“

Jede Lebensphase hat ihre richtige Musik und Lehrer. Das einzig Beständige ist die Veränderung. Möge unser aller Leben ein wunderschönes Lied im Nada Brahma, dem universellen Klang, sein!

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